Dritter Abend der Ringvorlesung der Katholisch-Theologischen Fakultät im WS 2012/13 Umbruch – Wandel – Kontinuität (312 bis 2012): Von der Konstantinischen Ära zur Kirche der Gegenwart
19.11.2012Prof. Otmar Meuffels spricht zum Thema der Theologie des Wortes Gottes im Horizont der pluralistischen Gesellschaft der Gegenwart
Der christliche Glaube prägt die Gesellschaften der Gegenwart auch in Europa längst nicht mehr in selbstverständlicher Weise. Im Gegenteil verursachen öffentliche religiöse Bekenntnisse heutzutage durchweg Irritationen. Der Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik an der Katholischen Fakultät der Bayerischen Iulius-Maximilians-Universität Prof. Dr. Otmar Meuffels nahm ausgehend von diesem Befund die theologische Aufgabe kirchlicher Bezeugung und Vermittlung des christlichen Glaubens in den Blick. Er betonte dabei, dass die Wahrheitsansprüche des Glaubens und sein Beitrag zum Aufbau einer gerechten Gesellschaft nur auf dialogische Weise, d.h. in Auseinandersetzung mit der säkularen bzw. multi-religiösen Ansprüchen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen geschehen kann und klagte insbesondere die Notwendigkeit gegenseitigen Respekts im Umgang miteinander ein.
Besondere Bedeutung kommt hier der Tatsache zu, dass den Kern der christlichen Überlieferung das Ringen um die Würde des Menschen bildet, für welche die Botschaft Jesu vom Anbruch des Reiches Gottes maßgebend war. Meuffels zeigte, wie gerade die geschichtliche Traditionsgemeinschaft der Kirche diese Offenbarung der Menschlichkeit Gottes zu verschiedenen Zeiten zum Ausdruck brachte und in lehrhafter Weise in dogmatische Bekenntnis-Formen prägte. Das Überlieferungsgeschehen des Wortes Gottes stellt sich auf diese Weise als ein hermeneutischer Verstehensprozess dar, der auf plurale Weise den Wahrheitsanspruch des Glaubens in je verschiedenen Zeithorizonte und in ganz unterschiedliche gesellschaftliche Bezugssysteme übersetzte. In der Auseinandersetzung mit anderen, nicht-christlichen Traditionen beweist die christliche Überlieferung eine kommunikative Offenheit, die sie zu einem unverzichtbaren Gestaltungselement auch der gegenwärtigen, freiheitlich-bürgerlich geprägten Gesellschaft der Gegenwart macht.
Meuffels griff in diesem Zusammenhang auf die Kategorie der Anerkennung zurück, mit welcher der Frankfurter Soziologe Alex Honneth demokratische Bildungsprozesse beschreibt, und betonte, dass sich heute auch Theologie und Kirche um diese Anerkennung bemühen müssen. Nur wer die Wahrheitsansprüche des christlichen Glaubens intersubjektiv nachvollziehbar und dialogisch kommunizierbar, d.h. in einer akzeptanzfähigen Weise in den gesellschaftlichen Diskurs einbringt, kann – so Meuffels zentrale These – dem missionarischen Gestaltungsauftrag der Kirche zum Wohl des Menschen gerecht werden.