Orthodoxie im Schatten des Habsburger Doppeladlers
06.11.2013Eine Tagung des Ostkirchlichen Instituts erhellte ein wenig untersuchtes Kapitel in der Kirchengeschichte Südosteuropas
Die Vergangenheit lebt. Das erfuhren unlängst 30 Teilnehmer des Symposions „Die orthodoxe Kirche in der Habsburgermonarchie im 18. und 19. Jahrhundert“ im Ostkirchlichen Institut an der Universität Würzburg. Ermöglicht hatten die Veranstaltung „Renovabis“, die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa, und die „Freunde des Ostkirchlichen Instituts e.V.“
Wie komplex sich die Entwicklung der orthodoxen Kirche in der Habsburgermonarchie im 18. und 19. Jahrhundert gestaltete, präsentierte Thomas Mark Németh (Würzburg). Der Direktor des Ostkirchlichen Instituts und Fachvertreter für Ostkirchengeschichte und Ökumenische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg stellte seine unlängst erschienene Habilitationsschrift über Leben und Werk des Wiener Kirchenrechtlers Josef von Zhishman (1820-1894) vor. Der Geschichtslehrer des früh verstorbenen Kronprinzen Rudolf spielte als Gutachter und „kanonistisches Orakel“ eine wesentliche Rolle für die strukturelle Entwicklung der Orthodoxie in der österreichischen Reichshälfte.
Zwei Referenten aus Rumänien arbeiteten die vielschichtige geschichtliche Entwicklung der orthodoxen Kirche in Siebenbürgen heraus: Mihai Săsăujan (Universität Bukarest) skizzierte die teils kontroversen Diskussionen über die Rechtsstellung der Orthodoxen in den Ministerkonferenzen des Wiener Hofs um 1750. In die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts führte der Beitrag von Paul Brusanowski (Hermannstadt/Sibiu). Der Professor für Kirchengeschichte an der Universität Hermannstadt legte den Schwerpunkt auf die starke Beteiligung von Laien an den Entscheidungen kirchlicher Gremien.
Einblick in den Lehrbetrieb einer orthodoxen theologischen Ausbildungsstätte bot Jovan Milanović (Karlowitz/Sremski Karlovci) am Beispiel des Priesterseminars seiner Heimatstadt, wo er selbst lehrt.
Dass das Ostkirchliche Institut mit der Tagung ein aktuelles Thema aufgegriffen hatte, zeigte die lebhafte Diskussion, an der sich auch der evangelisch-lutherische Regionalbischof Johann Schneider (Halle-Wittenberg) und der Ostkirchenexperte Ernst Christoph Suttner (Wien/Würzburg) beteiligten.
Verfasser: Stefan W. Römmelt