Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Wie heute mit den weiblichen Gottesbildern der Bibel umgehen?

20.06.2012

Alttestamentlerin Ilse Müllner referierte im Rahmen der Vortragsreihe „Gottesbilder“

Prof. Dr. Ilse Müllner (Foto: Lydia Hilt)

Im Rahmen der Ringvorlesung „Gottesbilder. Perspektiven auf die Ausstellung Gott weiblich“ sprach die Bibelwissenschaftlerin Ilse Müllner an der Katholisch-Theologischen Fakultät zum Thema „Altorientalische Göttinnen und weibliche Gottesbilder der Bibel in den Suchbewegungen gegenwärtiger Religiosität“.

Zu Beginn ihres Vortrages wies Müllner, die an der Universität Kassel Altes Testament lehrt, darauf hin, dass weibliche Gottesbilder bis heute ein emotionales, affektgeladenes Thema seien. Dies zeigten u.a. die teilweise heftigen Auseinandersetzungen um die „Bibel in gerechter Sprache“. Diese 2006 veröffentlichte Bibelausgabe setzte sich zum Ziel, neben aktuellen Erkenntnissen aus Sprachwissenschaft, Befreiungstheologie und jüdisch-christlichem Dialog  auch Ergebnisse der feministischen Theologie bei der Übersetzung zu berücksichtigen.

In ihren bibelwissenschaftlichen Ausführungen wies die Alttestamentlerin darauf hin, dass in Israel weibliche Göttinnen immer wieder eine wichtige Rolle gespielt haben, gerade auch zur Zeit des Monotheismus. Dies zeige sich auch an den unterschiedlichen Attributen der Göttinnen,  die sowohl Fruchtbarkeit als auch kriegerische Kraft symbolisierten.

Nicht nur in der Antike, auch heute fühlten sich Frauen zur Verehrung von Göttinnen hingezogen. Deshalb dürfe bei der Frage nach der Bedeutung weiblicher Gottesbildern für heutige christliche Theologie nicht allein der biblische Befund herangezogen werden. Vielmehr sei auch das historische Wissen über die Lebensverhältnisse der Menschen im alten Israel zu berücksichtigen.

Deshalb sei auch die geschlechtergerechte Sprache der „Bibel in gerechter Sprache“ ein Fortschritt. Noch fortschrittlicher aber sei es, auf männliche und weibliche Gottesrede ganz zu verzichten. Wie dies konkret aussehen kann, zeigte die 1966 in Wien geborene Theologin am Beispiel des ersten Schöpfungsberichtes am Beginn des Buches Genesis auf. In der Gottesrede „Lasst uns Mensch machen“ (Gen 1,26) werde die darin enthaltene Zweigeschlechtlichkeit auf zweierlei Weise sichtbar: Zum einen lasse sie sich in anthropologischer Hinsicht in dem grammatisch unbestimmten Begriff  „Mensch“ herauslesen; darüber hinaus werde sie in der viel diskutierten Aufforderung „Lasst uns“ auch in Bezug auf Gott greifbar. Deshalb lasse sich für diesen ersten Teil des Schöpfungsberichtes eine Pluralität in menschlicher und göttlicher Sphäre feststellen, so das Fazit Müllners.

In einem weiteren Teil ihres Vortrags machte die Referentin auf weithin unbekannte weibliche Attribute alttestamentlicher Gottesbilder aufmerksam. Sie zeigten Gott u.a. als gebärende oder stillende Mutter. Doch warnte sie eindringlich davor, archaische Rollenmuster und Klischees, nach denen beispielsweise die Frau als Mutter, der Mann aber als Krieger gesehen wird, kritiklos in die heutige Zeit zu übertragen. Weil die Theologie letztlich nichts über ihr Gegenüber Gott wisse, müssten solche vielfältigen Bilder helfen, sich eine Vorstellung von ihm zu machen. Diese Interpretationsweise der Bibel könnte gerade für heute neue Impulse liefern.

Nächster Vortrag am 25. Juni 2012

Die Ringvorlesung „Gottesbilder. Perspektiven auf die Ausstellung ‚Gott weiblich‘“ wird vom Lehrstuhl für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen in Kooperation mit der Katholischen Akademie Domschule und dem Rudolf-Alexander-Schröder-Haus veranstaltet. Sie gehört zum Begleitprogramm der bis 25. August 2012 in der Kirche St. Stephan gezeigten Ausstellung „Gott weiblich“.

Die sieben Abende der Vortragsreihe gehen der Frage nach der Geschlechtermetaphorik, der geschlechtsspezifischen Rede von Gott, aus unterschiedlichen Perspektiven nach. Die Reihe wird am 25. Juni 2012 mit einem Vortrag von Prof. Hildegund Keul fortgesetzt. Die Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz spricht zum Thema „Gott weiblich – wohin führen innovative Metaphern?“. Beginn ist um 19 Uhr in Hörsaal 127 in der Neuen Universität am Sanderring, der Eintritt ist frei.

(Text: Lydia Hilt)

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