Zum Tod von Norbert Lohfink
24.09.2024Die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler (AGAT) trauert um ihr langjähriges Mitglied Professor Dr. Norbert Lohfink SJ, der am 23. September 2024 in München verstarb.
Geboren am 28. Juli 1928 in Frankfurt am Main trat Norbert Lohfink am 15. April 1947 in den Jesuitenorden ein und studierte von 1949 bis 1953 zunächst Philosophie im Berchmanskolleg in Pullach und von 1953 bis 1957 Katholische Theologie in Frankfurt Sankt Georgen. Im Anschluss daran setzte Norbert Lohfink seine Studien am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom fort, wo er 1962 mit der Dissertation „Das Hauptgebot. Eine Untersuchung literarischer Einleitungsfragen zu Dtn 5–11“ promoviert wurde. Seine Dissertationsschrift war nicht nur ein exegetischer Meilenstein in der Erforschung des Deuteronomiums, sondern hatte im Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils maßgeblichen Anteil daran, eine historisch orientierte, kritische Exegese in der Katholischen Theologie zu etablieren. Die öffentliche defensio seiner Dissertationsschrift, die in Anwesenheit einer großen Konzilsöffentlichkeit in Rom stattgefunden hat, beeinflusste die Neufassung der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum (1965).
Der Ort des akademischen Wirkens von Norbert Lohfink war Frankfurt Stankt Georgen, wo er kontinuierlich – nur unterbrochen von Gastdozenturen weltweit – lehrte. 2021 zog er in die Seniorenkommunität Pedro Arrupe nach Unterhaching.
Norbert Lohfink war ein außergewöhnlicher Kollege, der seine präzisen Textbeobachtungen mit tiefgründiger theologischer Reflexion und den aktuellen Diskursen in Kirche, Theologie und Gesellschaft verbunden hat. Sein genauer Blick, seine Großzügigkeit und sein humorvoller Unterton haben ihn zu einem Kollegen gemacht, der den kollegialen Diskurs bereichert hat. Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit waren die Bücher Deuteronomium und Kohelet, die Psalmen und Fragen zur biblischen Theologie. Methodisch hat Norbert Lohfink neben der Redaktionskritik nie den Endtext aus dem Blick verloren. Er gehörte zu den Wegbereitern der Rezeption einer „kanonischen Exegese“ im deutschsprachigen Raum. Neben seinen Kommentaren und Monografien war Norbert Lohfink auch ein Meister der Gattung „Artikel“; davon zeugt nicht nur seine fast 900 Titel umfassende Publikationsliste, sondern dies zeigen auch die thematischen Sammelbände, in denen sich die Einzelüberlegungen zu einem Gesamtpanorama zusammenfügen. Besonders zu erwähnen ist seine ertragreiche und intensive wissenschaftliche Kooperation mit seinem Freund und Kollegen Professor Dr. Georg Braulik, Wien, mit dem er gemeinsam arbeitete, dachte und publizierte.
Ein weiteres Feld von Norbert Lohfinks Engagement war der jüdisch-christliche Dialog und sein Interesse an einer hermeneutischen Neubestimmung des Verhältnisses von Altem und Neuem Testament. Diese Fragestellungen durchziehen seine wissenschaftliche Biografie angefangen bei der frühen Arbeit „Das Siegeslied am Schilfmeer. Christliche Auseinandersetzungen mit dem Alten Testament“ (Frankfurt am Main 1965) bis hin zu einer christlichen Positionsbestimmung in seiner Schrift „Der niemals gekündigte Bund. Exegetische Gedanken zum christlich-jüdischen Dialog“ (Freiburg/Basel/Wien 1989).
Darüber hinaus hat Norbert Lohfink biblische Exegese nicht nur als Fachwissenschaft, sondern auch mit Blick auf Vermittlung und Praxis verstanden. Hiervon zeugen Publikationen wie „Im Schatten deiner Flügel: Große Bibeltexte neu erschlossen“ (Freiburg/Basel/Wien 1999), ebenso wie sein unermüdliches Engagement im Rahmen der Erstellung der „Einheitsübersetzung“. Für dieses Projekt, das im Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils eine neue Bibelübersetzung für den Gebrauch in den deutschsprachigen Diözesen der katholischen Kirche bieten sollte, übersetzte er die Bücher Deuteronomium und Kohelet.
Das wissenschaftliche Œuvre von Norbert Lohfink hat die Exegese geprägt und wird weit über seinen Tod hinaus weiterwirken.
Die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler wird Norbert Lohfink ein ehrendes Andenken bewahren.