Der Jansenismus – eine „katholische Häresie“?
Dominik Burkard/Tanja Thanner (Hg.):
Der Jansenismus – eine „katholische Häresie“? Das Ringen um Gnade, Rechtfertigung und die Autorität Augustins in der frühen Neuzeit (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 159), Münster 2014.
Die Frage nach der Determination des Menschen – und damit nach der Freiheit seines Willens – gehört zu den alten Fragen der Menschheitsgeschichte. Im Kontext der Christentumsgeschichte fand sie vor allem in der Kontroverse des Augustinus von Hippo mit Pelagius zu Beginn des 5. Jahrhunderts ihren Austrag – und ihre grundsätzliche theologisch-kirchliche Klärung. Doch gab das Problem von göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit auch später immer wieder Anlass zu heftigen theologischen Debatten. Nicht zuletzt die durch die Reformation fokussierte Frage nach der „Rechtfertigung“ des Menschen wirkte als Katalysator. Zwischen den sich herausbildenden Konfessionen entbrannte im Gefolge dieser Debatten auch ein Kampf um das „Erbe“ Augustins. Die gnadentheologischen Probleme führten zu heftigen innerkatholischen Kontroversen, die schließlich Mitte des 17. Jahrhunderts im Konflikt um den Augustinus des Cornelius Jansenius (1585-1638) kulminierten. Das Werk, das den Anspruch authentischer Interpretation des Kirchenvaters erhob, gelangte unmittelbar nach seinem Erscheinen auf den römischen Index der verbotenen Bücher. 1653 wurden durch die päpstliche Bulle Cum occasione zudem fünf (angeblich) dem Augustinus entnommene Propositionen als häretisch verdammt. Die Brisanz dieses Aktes war offenkundig: Hatte das Lehramt damit die gnadentheologische Position des Kirchenvaters Augustinus selbst verurteilt?
Der Band trägt dem komplexen, vielschichtigen Gesamtphänomen „Jansenismus“ Rechnung, rückt dabei aber dezidiert die theologische Ausgangsfrage sowie die Bedeutung Augustins in den Blick – eine forschungsgeschichtlich weitgehend vernachlässigte Seite des „Jansenismus“.