Fronleichnam - Hochfest des Leibes und Blutes Christi
06/09/2009
Denkt man an das Fronleichnamsfest, so fallen einem vielleicht vor allem im süddeutschen und alpenländischen Raum festliche Prozessionen ein, Blumenteppiche, vorneweg eine Blaskapelle, die Sakramentslieder schmettert, gefolgt von Kommunionkindern, die vor einem Baldachin, auch: „Himmel“ genannt, unter dem das eucharistische Brot in einem Zeigegefäss, der Monstranz, getragen wird, Blütenblätter streuen; und diesem Himmel wiederum folgt die übrige Gemeinde in freudiger, festlicher Prozession in Tracht und Sonntagsstaat.
Fronleichnam, das scheint zunächst viel mit lokalem Brauchtum zu tun zu haben, das sich über die Jahrhunderte wie die Jahresringe eines Baumes um das eigentliche Fest gelegt hat. An vielen Orten, in großen Städten etwa, wo solches Brauchtum nicht, oder nicht mehr begangen wird, besteht die Feier des Fronleichnamsfestes vielleicht gerade noch aus einer besonders festlich gestalteten Eucharistiefeier. Hinzu kommt eine gewachsene ökumenische Sensibilität: Fronleichnam wird gleichgesetzt mit „dem“ röm.-kath. Fest schlechthin, das man nicht mehr, wie vielleicht noch Jahrhunderte zuvor, als anti-protestantische Kampfansage missdeutet wissen will. Doch um die diversen Veränderungen des Festes im Lauf der Jahrhunderte verstehen zu können, ist es wichtig zu wissen, woher dieses Fest kommt, wie es entstanden ist:
Dabei geht die Einführung des Fronleichnamsfestes zunächst auf die Vision einer Ordensfrau aus dem 13. Jahrhundert zurück. Diese Juliana von Lüttich (+1258) sah in einem Traum den Mond, der einen sichtbaren dunklen Fleck aufwies. Dieser Fleck wurde gedeutet als ein fehlendes Fest zu Ehren der Eucharistie. Bereits im Jahr 1246 wurde das Fest vom damaligen Bischof Robert von Lüttich für sein Bistum eingeführt: Der Festtermin, der Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag, ist der erste Donnerstag außerhalb der Osterzeit, wenn man einrechnet, dass auch Pfingsten zur damaligen Zeit eine Woche lang gefeiert wurde, also eine sog. „Oktav“ besaß. Der Donnerstags-Termin erinnert dabei bewusst an den Gründonnerstag, an dem der Einsetzung der Eucharistie gedacht wird. Der Name „Fronleichnam“, von mittelhochdeutsch: „Herrenleib“, entspricht dem lat. Titel, unter dem das Fest im Jahr 1264 von Papst Urban IV. für die gesamte Kirche eingeführt wurde: „Festum Sanctissimi Corporis Christi“. Dabei begründet der Papst die Einführung für die gesamte Kirche in der Bulle „Transiturus de hoc mundo“ mit der Abwehr von Irrlehren die Eucharistie betreffend und der übergroßen Dankbarkeit für die Einsetzung der Eucharistie. Gerade den belehrenden Charakter bezeugen auch die Gebetstexte des Festes, die wohl auf Thomas von Aquin zurückgehen und zumindest von diesem durch die redaktionelle Bearbeitung von teilweise älterem, vorhandenen Material zusammengestellt wurden.
Allerdings ist festzuhalten, dass das Fronleichnamsfest keineswegs sofort und überall in der Kirche rezipiert wurde. Interessanterweise war es gerade die ursprünglich gar nicht zum Grundbestand des Festes gehörende Fronleichnamsprozession, die sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durchsetzte (so etwa in Köln, St. Gereon, schon um 1270) und dem Fest letztlich zum Durchbruch verhalf. Eine solche Sakramentsprozession erinnerte etwa an den Versehgang oder an die feierliche Übertragung des Allerheiligsten am Ende der Liturgie des Gründonnerstag, wobei sich die Prozession am Fronleichnamstag, der Schaufrömmigkeit der Zeit entsprechend, immer mehr ausweitete und mit bereits vorhandenen Flurprozessionen vermischte. Der Herrenleib wurde in immer prächtigeren Schaugefässen (Monstranzen) mitgeführt, und es entwickelten sich immer ausgedehntere Prozessionsformen.
Erst im Zuge der Auseinandersetzungen zur Reformationszeit wurde der Bekenntnischarakter dieser Prozessionen und damit des gesamten Fronleichnamsfestes gestärkt und betont, und das Konzil von Trient sah in der Prozession sogar eine demonstrative Zurschaustellung röm.-kath. Eucharistieverständnisses (DH 1644) gegen etwaige eucharistietheologische Irrlehren der Reformatoren. Allerdings ist mit Josef A. Jungmann festzuhalten, dass viel von dem eingangs geschilderten Brauchtum des Fronleichnamsfestes weniger einer bewusst konfessionell-polemischen oder anti-protestantischen Haltung entsprungen ist, sondern eher der „Freude am heiligen Besitz“. Dennoch ist es sicherlich kein frömmigkeitsgeschichtlicher Zufall, dass die besondere Blüte des Fronleichnamsfestes in die Zeit der Gegenreformation fällt. Durch das Rituale Romanum von 1614 wird die Prozession geordnet als Umgang mit abschließendem Sakramentalen Segen. Der Sakramentale, oder auch Eucharistische Segen ist jener Segensgestus, bei dem der Segen mit der in der Monstranz gezeigten (= „ausgesetzten“), konsekrierten Hostie gespendet wird. Er kam als liturgische Feierform im 14. Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet im Rahmen der Fronleichnamsprozession auf. Die vorgesehenen Begleitgesänge und sich gerade auch im deutschen Sprachgebiet entwickelnden Sakramentslieder sind dabei stark geprägt vom Dogma der Realpräsenz.
Wenn das Fronleichnamsfest im Messbuch seit dem II. Vatikanischen Konzil den Titel trägt: „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“, so ist dies nicht nur eine sprachkosmetische Korrektur, sondern es verbirgt sich dahinter ein durchaus neu akzentuierter liturgietheologischer Ansatz. In der Frömmigkeitsentwicklung seit dem II. Vatikanischen Konzil findet sich eine Konzentration auf die aktive und tätige Mitfeier der Eucharistie (SC, Art. 14) und vor allem auch auf die Feier des Österlichen Triduums und hier des Gründonnerstags als des Tages, an dem inmitten der gesamten Gemeinde feierlich der Einsetzung der Eucharistie gedacht wird. Demgegenüber haben Sakramentsandachten mit abschließendem Sakramentalen Segen und Sakramentsprozessionen weitgehend an Bedeutung verloren. Zudem betonen die nachkonziliaren römischen Dokumente, dass die Feier der Eucharistie und darin die Kommunion der Gläubigen der eigentliche Ort der Verehrung der Eucharistie ist (Kommunionspendung und Eucharistieverehrung außerhalb der Messe, 21994, Nr. 82).
Auch wenn bis in jüngste Zeit die Anbetung des in den eucharistischen Gaben auch außerhalb der eigentlichen Eucharistiefeier gegenwärtig geglaubten erhöhten Herrn empfohlen wird, so ist doch auch im Kontext einer ökumenisch sensibilisierten Debatte über den „usus“ des Sakramentes der Eucharistie zu sagen, daß die Aufbewahrung von in der Feier übriggebliebenen, konsekrierten Hostien schon seit der Zeit der frühen Kirche zunächst ausschließlich der Kommunion für die Kranken und Sterbenden diente. Das ist auch heute wieder der primäre Aufbewahrungsgrund (ebd. Nr. 5). Die Aussetzung und Anbetung der Brotsgestalt in Zeigegefäßen sowie eucharistische Prozessionen entstammen hingegen einer mittelalterlichen Schaufrömmigkeit und sind demgegenüber sicher als sekundär anzusehen. So betont das II. Vatikanische Konzil wieder die Feier der Eucharistie und den Empfang des Leibes und (!) des Blutes des Herrn als die Vollform der eucharistischen Feier.
Heißt das, dass es sich bei Fronleichnam um ein überflüssiges Fest handelt? Ein mittelalterliches Relikt einer vergangenen Frömmigkeitsform, die sich überlebt hat? Mit Sicherheit nicht, denn das II. Vatikanische Konzil hat das Fronleichnamsfest keinesfalls abgeschafft, wohl aber liturgietheologisch eingeordnet. So lässt sich zum einen festhalten, dass es Glaubensgeheimnisse gibt, die so groß sind, dass man sie gar nicht oft genug feiern kann: Wir feiern auch Allerheiligen, obwohl wir doch strenggenommen jedes/r einzelnen Heiligen schon an dessen/deren Gedenktag gedacht haben, oder feiern Christus als König sowohl an Epiphanie/Dreikönig, als auch am Christkönigsfest, und feiern so denselben Inhalt doch in verschiedenen Aspekten. So feiern wir am Gündonnerstag die Einsetzung der Eucharistie im Kontext des österlichen Triduums, also stärker unter dem Aspekt des Leidens des Herrn, seiner Selbsthingabe aus Liebe, bis hin zum Tod am Kreuz, während wir am Fronleichnamsfest in den österlichen Dank für die kostbare Gabe der eucharistischen Feier einstimmen dürfen: als „Vorgeschmack der kommenden Herrlichkeit“, wie es im Schlussgebet des Fronleichnamsfestes heißt.
Und die Prozession? Es bleibt ein spannendes Phänomen, dass die Fronleichnamsprozession an vielen Orten gerade dann wegbricht, als die Geseellschaft in den 60er/70er-Jahren die Straße als Ort der Demonstration von (politischen, religiösen, etc.) Überzeugungen entdeckt. Sicher kann man mit Recht fragen, ob eine solche Prozession unbedingt eine theophorische Prozession sein muss, also ein Prozession, bei der die konsekrierte Brotsgestalt in der Monstranz mitgeführt wird. Andererseits erinnere ich mich noch gut an den Satz eines Studentenpfarrers zu einer Gruppe von Studierenden: Denken Sie daran, dass man Ihnen ruhig ansehen darf, dass Sie bei der Fronleichnamsprozession hinter Ihrem Gott herlaufen – einem Gott, der sich in der unscheinbaren Gestalt des Brotes uns schenkt, damit wir es genauso tun, uns verschenken, um so zum „Brot“ für andere zu werden.
Motive wie: die Kirche als pilgerndes Gottesvolk, das gemeinsame Unterwegssein, dem kommenden Christus entgegen, sind sicher gewichtige und weiterhin gültige biblische Bilder, die heute bei der Gestaltung der Prozession aufgegriffen werden können.
Autor: Martin Stuflesser
(Veröffentlicht in: Werbick, Jürgen/Fürst, Walter. (Hg.). Katholische Glaubensfibel. Freiburg 2004, 278-281.)
Weiterführende Literatur:
A. Heinz. Art. Fronleichnam. In: Kasper, W. (Hg.). LThK³, Bd. 4, Freiburg 1995, 172-174.
H.B. Meyer. Eucharistie. (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft. Bd. 4). Regenburg 1989, 580-602, bes. 590.
K. Richter. Die Kommunion. Gottesdienstliche Erneuerung zwischen Wirklichkeit und Anspruch. Münster 2002, bes. 86ff., 91ff.