Religiöse Signaturen heute
Hans-Georg Ziebertz, Boris Kalbheim, Ulrich Riegel
Freiburg/Gütersloh, 2003
ISBN 3-579-05292-6 - ca. 440 Seiten - ca. € 29,90
aus dem Vorwort:
Lange Zeit waren Religion und Glaube kein ernst zu nehmendes Thema in der Jugendforschung. Das hat sich erheblich geändert, denn inzwischen gibt es kaum empirische Jugendstudien, die diesen Bereich vernachlässigen. Ganz zu schweigen von der größer werdenden Gruppe empirisch arbeitender Religionspädagogen, die sich gewissermaßen “von Hause aus” mit der Religiosität Jugendlicher beschäftigt. In der alltäglichen Wahrnehmung gibt es ein funktionierendes Verständnis von Religion. Wenn der Begriff benutzt wird, wissen die Gesprächspartner in der Regel voneinander, worüber sie reden. In der wissenschaftlichen Beschäftigung liegen die Dinge anders. Religion ist kein toter Untersuchungsgegenstand, im Gegenteil. Indem Menschen religiös handeln und indem über Religion gesprochen und geforscht wird, entsteht und verändert sich zugleich das, was mit Religion gemeint ist. Religion ist, wie Kultur insgesamt, in Bewegung. Daher kann der Bedarf, das kulturelle Phänomen der Religion und die Religiosität von Menschen zu begreifen, nicht durch eine Studie oder ein Buch endgültig befriedigt werden. Das gilt auch für die vorliegende Untersuchung. Sie fördert Ergebnisse zu Tage, die Aussagen anderer Studien zum Teil bestätigt, ergänzt oder auch korrigiert. Die Präsentation der Ergebnisse eröffnet einen diskursiven Raum, wie Religion und Religiosität heute verstanden wird bzw. verstanden werden kann. Wir, die Autoren, haben diese Diskursivität bereits bei der Arbeit an dem Band praktiziert, indem wir alle Kapitel vielfach kritisch diskutiert und neu geschrieben haben. Jeweils ein Autor hat die Schriftleitung für einzelne Kapitel übernommen, durch die intensiven Beratungen und wechselseitigen Zuarbeiten ist der Band aber ein Gemeinschaftswerk.
Religiosität als materiales Objekt der Jugendforschung ist ein Untersuchungsgegenstand, für den sich unter anderem auch die Soziologie, Psychologie und Pädagogik interessieren. Die empirischen Teile der Studie folgen den methodischen Standards, wie sie in der empirischen Sozialforschung üblich sind. Zugleich veröffentlichen wir dieses Buch als Religionspädagogen, das heißt, dass unser Entdeckungs- und Verwendungszusammenhang mit dem Interesse an einer Zukunft von Religion verbunden ist. In diesem Sinne werden die Befunde auch am Ende der jeweiligen Kapitel in religionspädagogischer Absicht diskutiert.
Das Buch hat fünf Teile. Im ersten Teil beschreiben wir den Ansatz der Untersuchung. Aus dem Forschungsdesign, das wir in Kapitel 4 erläutern, ergibt sich auch der konkrete Aufbau des Buches. Die Analysen des zweiten Teils richten sich auf Fragen der Makro-Wahrnehmung von Religion und Moderne. Der dritte Teil behandelt die Wahrnehmung institutionell vermittelter Religion, d.h. Aspekte des Meso-Bereichs. Im vierten Teil schließlich geht es um Analysen des Mikro-Niveaus, also um Fragen der individuellen Religionspraxis. Der fünfte Teil führt die einzelnen Analysen zu einer Typologie zusammen.
Das Buch ist für Fachleute gedacht, aber auch für einen erweiterten Leserkreis. Dieser Anspruch stellt Forderungen an die Lesbarkeit. Um sie zu erhöhen, sind wir insbesondere mit statistischen Angaben sparsam umgegangen. Zum Beispiel haben wir, wo es möglich war, grafischen Darstellungen den Vorzug vor reinen Zahlentabellen gegeben. Ein solcher Weg ist immer ein Balanceakt. Wer mehr Statistik wünscht, kann sich an die Autoren wenden. Wem die vorgelegten Abbildungen immer noch verschlossen bleiben, sollte durch die Textlektüre hinreichend informiert sein. Zum leichteren Verständnis fügen wir ein Glossar an, das die wichtigsten statistischen Begriffe erläutert.