Mischen sich die Kirchen zu viel in die Politik ein?
10.02.2025Prof. Dr. Matthias Remenyi äußert sich in einem Gastkommentar auf Kirche und Leben zur Unionskritik an den Kirchen.
Nach Kirchenkritik an der Union wächst die Unionskritik an den Kirchen. Vier Gedanken dazu von Matthias Remenyi, Theologieprofessor in Würzburg.
Die Ereignisse im politischen Berlin Ende Januar hallen nach. Die CDU/CSU-Fraktion steht für das Vorgehen von Friedrich Merz dauerhaft in der Kritik. Bundesweit gehen Hunderttausende für Demokratie und gegen Rechtsradikalismus auf die Straßen, am vergangenen Samstag waren es allein in München über eine Viertelmillion Menschen. Gleichzeitig messen Umfragen stabile bis leicht steigende Werte für die CDU/CSU und die AfD.
Was bedeutet das alles für uns als Christinnen und Christen? Sind wir zu einseitig oder zu wenig politisch? Mischen sich die beiden Kirchen zu viel in die öffentlichen Debatten ein? Vier Gedanken dazu.
Der Vorwurf der Gesinnungsethik
Erstens: Wer das Evangelium ernst nimmt, kann nicht unpolitisch sein. Von Anfang an ist das Christentum eine öffentliche und insofern auch eine politische Religion. News-Fatigue und der Rückzug in die private Innerlichkeit sind keine Option. Maß und Mitte christlichen Engagements in Gesellschaft und Politik muss die Reich-Gottes-Botschaft des Jesus von Nazaret sein. Den törichten Vorwurf der Gesinnungsethik sollten wir dabei mit Stolz entgegennehmen.
Zweitens: Das bedeutet bisweilen auch eine Einmischung in die tagesaktuelle Parteipolitik. Angesichts der Ereignisse im Bundestag Ende Januar zu fordern, die Kirchen müssten zwar politisch, dürften aber nicht parteipolitisch sein, ist naiv. Wie sollte das in diesem Fall gehen? Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Karl Jüsten vom Katholischen Büro Berlin und Anne Gidion, die die Verbindungsstellen von evangelischer und katholischer Kirche zur Bundespolitik in Berlin leiten, richtig gehandelt haben, als sie sich im Namen der Kirchen so klar positioniert haben.
AfD? Abgrenzung statt Appeasement
Drittens: Es braucht eine klare Kante zur AfD. Diese Partei ist eine Gefahr für unsere liberale Demokratie. Die Bischöfe sagen zu Recht: Die AfD ist für Christinnen und Christen nicht wählbar. Hier kann es kein Appeasement geben, sondern nur eindeutige Abgrenzung. Wenn ein Parteiverbotsverfahren auch nur eine relative Chance auf Erfolg hat, sollte man es anstreben.
Viertens: Gerade weil unsere Demokratie durch Autoritarismus immer stärker unter Druck gerät, ist die Koalitionsfähigkeit unter demokratischen Parteien essenziell. Die unversöhnlichen Schuldzuweisungen im Anschluss an den Merz-Eklat sind darum so besorgniserregend wie dieser selbst. Es gibt ein Leben nach dem 23. Februar. Wer auf Dauer österreichische oder US-amerikanische Verhältnisse vermeiden will, muss für die Sprechfähigkeit unter demokratisch Gesinnten arbeiten. Christinnen und Christen können viel dafür tun.
Den Link zum Artikel auf der Homepage von Kirche und Leben finden Sie hier.