Qualifikationsprojekte der Nachwuchsgruppe
Dr. Katharina Ebner
Habilitationsprojekt:
Das Private in der Einflusssphäre religiöser und säkularer Herrschafts- und Deutungsansprüche – Geschichte einer Emanzipation? (Arbeitstitel)
Privatheit, meist in Abgrenzung zur Öffentlichkeit, ist heute eine Ordnungskategorie des Sozialen und hat damit zunächst eine deskriptive, analytische Funktion. Das Öffentliche ist allen Mitgliedern einer bestimmten Gruppe zugänglich, während für das Private Grenzen und Beschränkungen bestehen, die nur durch das Subjekt des Privaten aufgehoben werden können. Diese Ordnungskategorien sind historisch gewachsen und enthalten normative Elemente das Menschen- und Gesellschaftsbild betreffend.
In einem ersten Schritt soll deshalb genealogisch herausgearbeitet werden, wie sich das Private als ein Privileg ausbildete. Als These wird dabei davon ausgegangen, dass sich das Private zum Schutzraum vor staatlichen und kirchlichen Herrschaftsansprüchen entfaltete, demgegenüber der freie gleiche Bürger sich Freiheiten erstritt. Der Fokus liegt (neben den politischen und kulturhistorischen Dimensionen) auf dem religiösen Selbstverständnis der Menschen und den Veränderungen im theologischen Denken (Unmittelbarkeit der Gottesbeziehung, Profilierung des Gewissens). Ist das Private der Entfaltungsraum für Lebensführung und (individuelle) Religiosität, der sich gegenüber externen Herrschafts- und Deutungsansprüchen abgrenzt?
In der politischen Theorie und der Sozialphilosophie entsteht ein wirkmächtiges Leitbild der bürgerlichen Öffentlichkeit als herrschaftsemanzipierter Sphäre. Das Private wird dann zum Rückzugsraum der modernen Gesellschaft, der die Ressourcen dafür ermöglicht. In einem zweiten Schritt wird dieses Leitbild zunächst kritisch rekonstruiert und vor dem Hintergrund von (unter anderem) digitalen Transformationen analysiert werden.
Zuletzt richtet sich der Blick auf das Individuum in seiner familialen Lebenswirklichkeit. Gibt es unter der Perspektive der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung nicht vielmehr subtile Herrschaftsstrukuren? Wie verhalten sich Abhängigkeit, Eingebundenheit und Autonomie zueinander? So soll ermittelt werden können, worin der ethische Charakter des Privaten besteht.
Mag. Theol. Sebastian Dietz
Dissertationsprojekt:
Verständigung in einer digitalisierten Gesellschaft (Arbeitstitel)
Folgt man einer zentralen These Jürgen Habermas‘, so ist Verständigung eine der grundlegenden Funktionen zwischenmenschlicher Kommunikation. Über die Begegnungen einzelner Individuen hinaus auf den gesellschaftlichen Diskursraum insgesamt bezogen – also auf die Sphäre(n) der Öffentlichkeit –, so ist ein angemessenes Verständnis dessen, was Verständigung beinhaltet, von welchen Voraussetzungen sie lebt und aus welchen Gründen sie erstrebenswert ist, alles andere als trivial. Darüber hinaus ist die Frage nach konkreten Potenzialen gesellschaftlicher Verständigung nur vor dem sozialen Hintergrund der Bedingungen von Digitalität zu stellen.
Das Dissertationsprojekt möchte die Frage beantworten, wie gesellschaftliche Verständigungsprozesse in einer digitalisierten Gesellschaft angemessen zu verstehen sind und welche Rahmenbedingungen dafür de facto gelten oder gelten sollten. Ein angemessener und normativ gehaltvoller Begriff gesellschaftlicher Verständigungsprozesse wird dabei sowohl in moralisch-sozialphilosophischer Hinsicht erschlossen als auch in seiner Funktion für demokratische Gemeinwesen. Das so entwickelte Konzept von Verständigung kann anschließend als Folie für eine kritische Analyse einiger Strukturelemente der digitalisierten Öffentlichkeit dienen, aus der wiederum Rückschlüsse für die sozialethische Theoriebildung gewonnen werden können.