Forschungskolloquium zur Liturgiereform
08.12.2010Von 2. bis 4. Dezember fand in Würzburg ein Forschungskolloquium zur Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil statt. Der Einladung des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft folgten 14 junge Liturgiewissenschaftler/-innen aus dem deutschen Sprachraum, überwiegend Doktoranden, die an verschiedenen Aspekten des Themas arbeiten. Idee des Kolloquiums war es, die Forschungsansätze und Erkenntnisse über die Erneuerung von Theologie und liturgischer Praxis aus verschiedenen Einzelprojekten zusammenzutragen und so einen Überblick über das Phänomen „Liturgiereform“ zu gewinnen.
Das Bild, das sich aus Referaten und Diskussionen ergab, ist vielfältig: So beginnt die „nachvatikanische“ Liturgiereform eigentlich schon lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ ist ohne die theologischen und pastoralliturgischen Vorarbeiten der Liturgischen Bewegung nicht zu denken. Liturgiereform erweist sich, anders als manchmal angenommen, als nicht einfach „von oben“ gesteuerte oder gar initiierte Überarbeitung der liturgischen Bücher, sondern zunächst als Bewegung „von unten“: Die jüngste Liturgiereform entstand nicht von selbst, sondern bündelte und lenkte gewachsene Reformanliegen und ließ sie schließlich einmünden in eine weltweite Erneuerung von Liturgie und Kirche. Liturgiereform ist immer mehr als eine Bücherreform: Sie zielt nicht auf die Überarbeitung liturgischer Ordnungen und Texte, so elementar das auch dazugehört, sondern auf die Erneuerung und Vertiefung des geistlichen Lebens der Kirche und ihrer Gläubigen (vgl. SC 1). Dieses ist weiterhin eingebunden in Vollzüge persönlichen Betens oder volksfrommen Brauches, die nicht mehr zur kirchlichen Liturgie an sich gehören, aber mit ihr zusammenhängen und sich mit ihr wandeln. Grundsätzlich gilt: Liturgie und Leben sollen sich entsprechen und befruchten. Das ist eine Aufgabe liturgischer Reform, die nie als abgeschlossen gelten kann.
Im Verlauf der Tagung haben sich interessante Perspektiven eröffnet, die den Weg für die wissenschaftliche Erforschung der Liturgiereform in den kommenden Jahren weisen. So werden die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und die Integration neuer Methoden unerlässlich sein. Dabei ist vor allem an die Sozial- und Kulturwissenschaften zu denken, denn Liturgiereform vollzieht sich im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen, ohne deren Berücksichtigung sie nicht verstanden werden kann. Besonders drängend ist in diesen Jahren die Arbeit mit Zeitzeugen des Konzils und der nachkonziliaren Erneuerung: Heute sind nur noch diejenigen am Leben, die damals zur jungen Generation gehörten. Es wird immer schwieriger, zu bestimmten Fragestellungen Zeitzeugen zu finden und mit ihnen belastbare Dokumentationen zu erarbeiten. Zu vielen Maßnahmen, die im allgemeinen Bewusstsein noch nicht lange zurück liegen, sind heute fast keine stichhaltigen Erinnerungen mehr vorhanden. Hier gilt es, schnell zu handeln und die verfügbaren Informationen zu erheben und zu dokumentieren. Ein weiteres Forschungsfeld ist Liturgiereform auf lokaler und regionaler Ebene. Es ist eine wichtige Einsicht, dass zur Liturgiereform auch die Rezeption gehört, die konkrete Umsetzung in der Liturgie der Ortskirchen, ja sogar der einzelnen Kirchengemeinden. Hierzu bedarf es vieler Teilprojekte, die sich zu einer Zusammenschau fügen und ein repräsentatives Bild davon vermitteln, wie sich die liturgische Erneuerung tatsächlich konkret vollzogen hat.
Dieses Ziel verfolgt seit Herbst 2009 das Forschungsprojekt „Die Liturgiereform und ihr theologischer Rezeptionsprozess. Zur ortskirchlichen Wirkungsgeschichte des II. Vatikanischen Konzils“ am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft in Würzburg unter Leitung von Prof. Dr. Martin Stuflesser, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Das Forschungskolloquium hat wertvolle Einsichten und Impulse geliefert für die weitere wissenschaftliche Arbeit des Projekts.
Simon Schrott