In einem Festakt würdigten Mitglieder der Katholisch-Theologischen Fakultät, Kollegen und Weggefährten die wissenschaftliche Arbeit, den Einsatz für die Fakultät und die Studierenden sowie auch das außeruniversitäre Engagement von Prof. Hallermann, der seit 2003 Universitätsprofessor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist.
In seinem Grußwort stellte Dekan Prof. Dr. Martin Stuflesser das umfangreiche wissenschaftliche Schaffen Prof. Hallermanns sowie sein Wirken als Prediger bei Studierendengottesdiensten und in den Gemeinden im Ochsenfurter Gau heraus. Im Besonderen dankte er Prof. Hallermann für sein über das normale Maß hinausgehendes Engagement in der Selbstverwaltung der Fakultät, das sich nicht in der Vertretung der Fakultät beim Katholisch-Theologischen Fakultätentag in den Jahren 2005 bis 2013, der Mitgliedschaft im Priesterrat der Diözese Würzburg seit 2005 und der Arbeit in anderen fakultären Gremien erschöpfte. Mit Sachverstand und immer mit Blick auf und im Einsatz für die Studierenden als Rat- und Auskunftsgeber habe sich Prof. Hallermann für die Fakultät eingesetzt. Dabei hob Dekan Prof. Stuflesser besonders die grundlegende Arbeit Prof. Hallermanns in der Umsetzung des Bologna-Prozesses an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg hervor, die dazu beigetragen habe, dass Würzburg für viele Studierende auch von außerhalb zu einem attraktiven Studienstandort geworden sei. In seiner Zeit als Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät von 2013 bis 2015 habe Prof. Hallermann grundlegende Weichen für die bauliche Zusammenführung der Fakultät gestellt und sechs Neuausschreibungen für Lehrstühle und Professuren begleitet. Mit einem herzlichen Dank im Namen der ganzen Fakultät schloss Dekan Prof. Stuflesser seine Begrüßung und wünschte Prof. Hallermann für seinen Ruhestand alles Gute und Gottes Segen.
In seiner Abschiedsvorlesung zum Thema „Ignorantia iuris – (k)ein Problem für die Kirche?“ arbeitete Prof. Hallermann die Funktion des Kirchenrechts in der und für die Kirche heraus. Den Ausgangspunkt bildete eine Betrachtung der ignorantia iuris als Unkenntnis, Nicht-Annehmen oder auch Nicht-Verstehen von Rechtsnormen, das auch als bewusstes Nicht-Wissen-Wollen anzutreffen ist. Letzteres wird häufig als eine Form von Handlungsfreiheit missverstanden, wirkt sich jedoch in Rechtsverletzung und willkürlicher Machtausübung aus, wodurch Dritte geschädigt und in ihrer Rechtstellung beeinträchtigt werden können. Die durch diese Rechtsbeugung in der Kirche bedrohten Rechtssubjekte sind alle Gläubigen, denen aufgrund der Taufe Rechte und Pflichten in der Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen zukommen. Zudem versteht sich die Kirche im Sinne des II. Vatikanischen Konzils selbst als Keim und Anfang des Reiches Gottes, in dem Gerechtigkeit, Liebe und Frieden herrschen sollen. In drei Thesen arbeitete Prof. Hallermann die Bedeutung des Kirchenrechts für den Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft und jeden Gläubigen heraus und verwies gleichzeitig auf die Gefährdung, die von einer Missachtung des Rechts für die ganze Kirche und ihren Auftrag ausgeht.
“Das Konzil bleibt ohne Kirchenrecht belanglos.“ Bleibender und unabdingbarer Referenzpunkt für das Kirchenrecht ist das II. Vatikanische Konzil, dessen Ekklesiologie im Codex Iuris Canonici von 1983 in Recht übersetzt wurde und der der praktischen Umsetzung der konziliaren Vorgaben dienen soll. Dabei bleibt der Codex jedoch immer an das Konzil gebunden. Der grundlegenden Funktion des Kirchenrechts, im Besonderen die Communio-Ekklesiologie des Konzils in der Praxis erfahrbar zu machen und rechtlich verbindlich auszugestalten, steht in heutiger Zeit mangelnde Anwendung und Befolgung kirchenrechtlicher Normen als praktische Form der ignorantia iuris entgegen. Gerade dieses Handeln verhindert aber die Verwirklichung der konziliaren Reformimpulse, beeinträchtigt die Ausübung der Sendung der Kirche und steht dem Aufbau von Gerechtigkeit entgegen. „Die Rechtsvergessenheit gefährdet das Ziel der Kirche.“ Kirche als Anfang des Reiches Gottes, in dessen Vollendung die Gerechtigkeit wohnt, hat diese Gerechtigkeit, Frieden und Liebe zu verkünden und zu sichern, baut sich zugleich aus diesen Aspekten auf. Gerade die Gerechtigkeit bedarf zu ihrer Verwirklichung aber der institutionellen Fassung in Rechtsordnungen, Gesetzen und Rechtsprechung, um das Gemeinwohl für die ganze Gemeinschaft und den Einzelnen zu fördern und Freiheit, Sicherheit und Gleichheit zu schützen. Die Missachtung von Recht untergräbt diesen Aufbau von Gerechtigkeit, indem ein solches, rein willkürliches Handeln das Vertrauen in die Rechtsgemeinschaft zerstört, Ungleichbehandlung und Rechtsunsicherheit fördert und somit die ganze Gemeinschaft gefährdet. „Die gute Kenntnis und die barmherzige Anwendung des Rechts sind notwendig, um die Schwachen zu schützen.“ Der Schutz vor Willkür, damit der Schutz der Rechte der Schwachen und Ohnmächtigen, ist eine zentrale Aufgabe der Rechtsordnung. Gerade den Menschen, die in ihren Rechten beeinträchtigt oder deren Rechte missachtet werden, soll nach Papst Franziskus mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit begegnet werden. Dieses barmherzige Handeln, in dem das Recht nicht negiert, sondern letztlich überboten wird, erfordert aber die profunde Kenntnis des Kirchenrechts, seiner Methoden, Einfühlungsvermögen und Erfahrung. In diesem Sinne kann der barmherzige Umgang mit Recht Gerechtigkeit fördern und verwirklichen. Sollen Schwache und Ohnmächtige in dieser Form geschützt werden, sind aber auch klare und verbindliche Äußerungen und Regelungen notwendig, die das Vertrauen und die Position des Einzelnen stärken und so zur Rechtssicherheit in der Gemeinschaft beitragen. Prof. Hallermann beschloss seine Ausführungen mit der Aussage, dass die Rechtskenntnis und Rechtsanerkenntnis, die Förderung von Rechtssicherheit und die Verwirklichung von Rechtsschutz in der Kirche ein Beitrag zum Aufbau des gewollten Reiches der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens seien.
Im Anschluss an seinen Vortrag wurde Prof. Hallermann die Festschrift zu seinem 65. Geburtstag von den drei Herausgebern Prälat P. Dr. Markus Graulich SDB (Rom), Prof. Dr. Thomas Meckel (Frankfurt) und Prof. Dr. Matthias Pulte (Mainz) verliehen.
Zunächst präsentierte Prof. Meckel die Festschrift mit dem Titel „Ius canonicum in communione christifidelium“, womit in Bezug auf c. 204 CIC/1983 eines der wissenschaftlichen Kernanliegen Prof. Hallermanns aufgegriffen wurde. In der umfangreichen und fruchtbaren Publikationstätigkeit Prof. Hallermanns griff dieser immer wieder explizit die Frage des Verhältnisses zwischen dem II. Vatikanischen Konzil und dem Codex Iuris Canonici von 1983 auf und bezog sie in seine Beschäftigung mit den Rechten und Pflichten der Gläubigen, dem Pfarreienrecht, dem Sakramentenrecht und der Ökumene mit ein, hob Prof. Meckel hervor. In einer zweiten Forschungslinie habe sich Prof. Hallermann intensiv mit Fragen des Staatskirchenrechts bzw. des Religionsrechts beschäftigt. Dabei sei es Prof. Hallermann immer wieder ein Anliegen gewesen, die Brücke zu anderen theologischen Disziplinen zu schlagen und das Kirchenrecht in der Theologie zu verorten und zu vernetzen. Diese Forschungsschwerpunkte Prof. Hallermanns seien auch zu Leitgedanken der Festschrift geworden. Prof. Meckel würdigte Prof. Hallermann abschließend als begeisternden, engagierten, fordernden und fördernden akademischen Lehrer. Er schloss mit dem Wunsch Prof. Hallermann möge seine Publikationstätigkeit auch nach seiner Emeritierung nicht einstellen und so wünschte er dem Jubilar viele fruchtbare, erfüllte und gesegnete weitere Jahre, nicht zuletzt im Dienst von Kirche und Wissenschaft.
Prof. Pulte dankte allen 39 Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge und die bereichernde Mitarbeit an der Festschrift und stellte diese in ihren Kerngedanken vor. Die erste Sektion widmet sich dem Thema “Konzil und Codex“ und betrachtet damit eine Grundfrage des kanonischen Rechts und die hermeneutische Schlüsselfunktion des II. Vatikanischen Konzils für das Kirchenrecht. Unter der Überschrift “Theologie und Kirchenrecht“ eröffnet die zweite Sektion eine interdisziplinäre Debatte des Kirchenrechts mit anderen theologischen Disziplinen. Die dritte Sektion “Religionsrecht“ befasst sich angesichts der zunehmenden religiösen Pluralität mit aktuellen Fragen des Verhältnisses von Staat und Religion.
Prof. Dr. Stephan Haering richtete einige Worte an Prof. Hallermann und bedankte sich für die langjährige Zusammenarbeit im Forschungsprojekt “Editionen der Dekretsumme und der Quaestionensumme des Magister Honorius und der ’Summa Lipsiensis’“ und seine Beitragstätigkeit für die Zeitschrift “Archiv des katholischen Kirchenrechts“.
Für die Studierenden der Katholisch-Theologischen Fakultät sprach Katharina Leniger Dankesworte und lobte Prof. Hallermann als ehrlichen, immer ansprechbaren sowie engagierten Professor. Ihre lebendige, mit großer Sympathie und viel Charme vorgetragene Rede ließ charakteristische wissenschaftliche und menschliche Züge des Professors und des Chefs am Lehrstuhl deutlich werden.
Mit einem feierlichen Empfang im Lichthof der Neuen Universität am Sanderring mit allen Kollegen und Kolleginnen, Studierenden und Gästen ging die Abschiedsvorlesung von Prof. Hallermann zu Ende, die vom Billroth-Quartett musikalisch umrahmt wurde. Zum Empfang spielten Bläser vom Musikverein Essfeld auf.
Mit einem herzlichen Dank für sein Engagement als akademischer Lehrer, Mitglied und Vertreter der Katholisch-Theologischen Fakultät und seine beständige und umfassende wissenschaftliche Tätigkeit im Bereich des Kirchenrechts und der Theologie verabschiedet sich die Fakultät von Prof. Dr. Heribert Hallermann und wünscht ihm für seinen Ruhestand alles Gute.