Intern
Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft

Die Erneuerung der Kirche fortsetzen

06.12.2012

Erzbischof Piero Marini (Rom) zur Liturgiereform des Konzils: Von der großen Choreografie zur tätigen Mitfeier des ganzen Volkes Gottes

Würzburg. Zu einer Fortsetzung der Erneuerung der Kirche hat der langjährige „Zeremonienmeister“ Johannes Pauls II., Erzbischof Piero Marini, aufgerufen. „Fünfzig Jahre nach Beginn des II. Vatikanischen Konzil ist es mehr denn je nötig, dass die Kirche vom Bewahren zur Mission übergeht, von der Interpretation zur Umsetzung des Konzils“, sagte Marini bei einem Vortrag in Würzburg. Entscheidende Aufgabe bei der Fortsetzung der Liturgiereform in der Zukunft sei, die Liturgie in den Kulturen zu verwurzeln.

Marini, Präsident des Päpstlichen Komitees für die Internationalen Eucharistischen Weltkongresse, sprach im Würzburger Museum am Dom auf Einladung des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität, der Akademie Domschule und des Liturgiereferats des Bistums Würzburg. Anlass des Vortrags mit dem Thema „Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils und die Papstliturgie unter Johannes Paul II.” war der 49. Jahrestag der Veröffentlichung der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der Vortrag, der eingeleitet wurde von einer Eucharistiefeier im Würzburger Kiliansdom, steht im Vorfeld eines internationalen liturgiewissenschaftlichen Kongresses der Societas Liturgica, der im August 2013 zum 50. Jahrestag der Liturgiekonstitution rund 250 Wissenschaftler aus der ganzen Welt in Würzburg versammeln wird.

Marini schrieb in seinem Vortrag der Liturgiereform einen „starken Einfluss“ auf die Kirche zu. Nicht zufällig sei die „Konstitution über die heilige Liturgie“ Sacrosanctum Concilium der erste Akt des vor fünfzig Jahren eröffneten Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen. Als erstes Konzil habe es der Liturgie ein eigenes Dokument gewidmet. Erstmals in der Geschichte sei es möglich gewesen, die Entwicklung der kirchlichen Praxis zu überblicken, grundlegende Prinzipien und wesentliche Elemente liturgischen Feierns zu beschreiben. So habe die Reform „in Breite und Tiefe alle anderen großen Reformen der Vergangenheit übertroffen“, sagte Marini, der als Sekretär des Erzbischofs und Liturgiewissenschaftlers Annibale Bugnini an der Liturgiereform des Konzils mitgewirkt hatte.

Am Vorabend des Konzils sei die Liturgie geprägt gewesen von der Idee einer zentralistischen Kirche und einer unbeweglich festgelegten Liturgie. „Das Bild war jenes einer großen Kluft zwischen dem Zelebranten und dem Volk“, beschrieb Marini etwa die Bischofsgottesdienste jener Zeit, die er als „große Choreografie“ empfunden habe. In der vorkonziliaren Liturgie sah Marini das Ergebnis eines langen Prozesses von der „Einfachheit und pastoralem Stil“ der Zeit der Kirchenväter zur „rituellen Komplexität“ und „höfischen Dimension“ der römischen Liturgie.

Ausführlich ging der Erzbischof auf die inneren theologischen Beweggründe der Reform ein. Ziel der Liturgiereform sei die „Wiederentdeckung der Beziehung zwischen Liturgie und Kirche“ gewesen. Diese habe zu einer Aufwertung der örtlichen Kirche geführt. Sei früher die Figur des Priesters betont worden, stellten die Messtexte Papst Pauls VI. die Anwesenheit der versammelten Gemeinde in den Mittelpunkt. Um den priesterlichen Dienst voll zu verstehen, sei er im „Kontext der kirchlichen Gemeinschaft zu betrachten“ und „in Bezug auf das gemeinsame Priestertum aller Getauften“ zu setzen.

Für Papst Johannes Paul II. und seine zutiefst seelsorglich geprägte Praxis sah Marini die Worte des Konzils über das Gottesvolk als entscheidend an. Kraft der

Taufe sei das Volk Gottes zur vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern berechtigt und verpflichtet: „Das Beispiel Johannes Pauls II. ist eine Einladung und Aufforderung an alle, die eigene, individualistische Spiritualität zu überwinden, um in das ‚Wir‘ der Kirche einzutreten.“

Diese tätige Teilnahme des Volkes Gottes habe nicht nur die Papstliturgie unter Johannes Paul II. geprägt. Die tätige Teilnahme zeigt sich im Prinzip der „Inkulturation“, also der Anpassung der veränderlichen Teile der Liturgie an die örtliche Kultur. Als Teil des Handelns der Kirche sei die Feier der Liturgie nach Überzeugung des 2005 verstorbenen Papstes das „Mittel der Evangelisierung schlechthin“.

Marini warnte davor, den gemeinschaftlichen Aspekt der Liturgie zu vernachlässigen: „Der Impuls zur kulturellen Anpassung der Liturgie ist heute leider mit einer immer diffuseren individualistischen Kultur konfrontiert“, beklagte der Erzbischof. Dabei gebe es die Gefahr, dass liturgische Handlungen als „private Handlungen” aufgefasst werden und nicht als Feiern des ganzen Leibes der Kirche.

 

Werner Häußner

Weitere Bilder

Zurück