Liturgie der Zukunft – zwischen heiligem Rest und Vorhof der Völker
09.12.2014Auf den Tag genau 51 Jahre nach der Veröffentlichung der Liturgiekonstitution durch das II. Vatikanische Konzil luden das Liturgiereferat des Bistums Würzburg und der Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Universität Würzburg zu einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel: „Liturgie der Zukunft – zwischen heiligem Rest und Vorhof der Völker“ ins Foyer des Hotels Maritim ein.
Nach einem frei gestalteten Abendlob schlossen sich zunächst kurze, pointierte Statements der Teilnehmer/-innen der Podiumsdiskussion an. Der Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hofmann, Vorsitzender der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, knüpfte bei Reaktionen auf das Requiem für den plötzlich verstorbenen Würzburger Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand an: „In der Betroffenheit des Augenblicks gelang eine gottesdienstliche Gestaltung“, so Bischof Dr. Hofmann, „die anscheinend den Lebensnerv und den Glaubenshorizont der versammelten Trauergemeinde in ungeahnter Dichte getroffen hat.“ Dabei sei die Liturgie ganz nach dem Messbuch und dem Begräbnisrituale gestaltet gewesen: „In diesem Requiem wurde einfach und zielgenau die Liturgie der Kirche gefeiert und dennoch war sie von einem Erleben, das die Mitfeiernden in ungeahnter Weise berühren konnte.“ Neben der offiziellen Liturgie brauche es aber auch sog. präliturgische, also niedrigschwellige Gottesdienstangebote. Gerade Menschen, die auf der Suche nach dem Sinn, nach Gott in ihrem Leben sind, fühlten sich, so führte Bischof Dr. Hofmann weiter aus, von diesen offenen Formen angezogen. Deshalb brauche die Kirche den einen Gottesdienst, aber in ganz unterschiedlichen und vielfältigen Formen und Ausformungen.
Dr. Eduard Nagel, langjähriger Schriftleiter der Zeitschrift „gottesdienst“ in Trier, verglich das gottesdienstliche Angebot in den Gemeinden mit einem Supermarkt, „(...) der falsche Öffnungszeiten hat und ein unpassendes Sortiment, Regale mit Kinderspielzeug auf zwei Meter Höhe und die Fertiggerichte für Senioren am Boden unten. Und wo der Mitarbeiter mit dem Schlüssel zu ganzen Abteilungen kaum einmal da ist. Oder wo Inhalt und Verpackung nicht übereinstimmen.“ Anstatt sich ständig geradezu zwanghaft darauf zu fixieren, wie man Menschen dazu bringen kann, vom gottesdienstlichen Angebot Gebrauch zu machen, und von „hinführen“, „erschließen“ oder „einladen“ zu sprechen, sei, so Dr. Nagel, ein radikales Umdenken angesagt: „Hingehen zu den Menschen (...), bei ihnen sein, mit ihnen suchen – und finden.“
Dr. Christiane Florin, Redaktionsleiterin von „Christ & Welt“, hinterfragte zunächst kritisch, ob „Erfolg“, gemessen in der Kirchenbesuchszahlen, überhaupt eine angemessene Kategorie sei. Denn erstaunlich sei nicht, so Florin, warum so viele Katholiken die Kirche verlassen, erstaunlich sei, „(...) warum so viele nicht austreten, obwohl sie nie oder nur sehr selten eine Kirche betreten.“ „Erfolg“ heiße demgegenüber, so führte Florin weiter aus, sich aus der permanenten Selbstbeschäftigung und den ideologischen Grabenkämpfen um die Liturgie zu befreien und einige naheliegende Fragen stellen: „Welche Bedürfnisse könnten diejenigen haben, die kommen sollen? Was bieten wir außer dem ominösen Versprechen, dass sich hier das Werk Gottes vollzieht? Wirkt die Kirche einladend (...)?“
„Ehrlichkeit“, ein weiteres Schlagwort in Florins Statement, bedeute hingegen, anzuerkennen, dass „die Kirche zunächst einmal ein Raum für das Andere ist“, eine Erkenntnis, um die man sich nicht „schamhaft herummogeln“ müsse. So sei etwa die Sprache der Liturgie anders als die Alltagssprache, und dies solle auch so sein. Auf den Einwand, das Hochgebet sei unverständlich, entgegnete Florin: „Ist das ein Problem? Es wird dann eins, wenn es auch demjenigen, der es spricht, nichts sagt.“
Zur Ehrlichkeit gehöre schließlich auch die Erkenntnis, so fasste Florin zusammen, dass es nicht wieder so wird, wie es einmal war. Zukunftweisend sei sicherlich nicht, einander mit „Erinnerungsseligkeit auf die Nerven (zu) gehen“. Viele liturgische Diskussionen der Vergangenheit kämen ihr eher wie ein Luxushobby vor. Papst Franziskus frage hingegen immer wieder, wie man die Menschen mit dem Evangelium in Berührung bringen könne? Der Gottesdienst sei dabei nur eine Möglichkeit und offenbar nicht einmal die attraktivste. Wenn Liturgie gefeiert würde, so schloss Florin ihre Ausführungen, dann sollte der Gottesdienst etwas Besonderes sein, „(...) wie jedes Fest. Nicht überkandidelt, aber sorgsam vorbereitet.“
Weihbischof Dr. Reinhard Hauke berichtet schließlich von der Situation in seinem Bistum Erfurt und den sog. „Erfurter Projekten“ wie der Feier eines Weihnachtslobes am Heiligabend für Nichtchristen oder der Feier der Lebenswende als rituelle Alternative zur Jugendweihe. Diese beruhen auf der Erkenntnis, dass die Menschen nach authentischen Zeugen suchen, die ihnen helfen, ihr Leben zu deuten. Die Intention dieser niedrigschwelligen gottesdienstlichen Feiern sei nicht in erster Linie zu einer Bekehrung zum Christentum anzuregen, sondern Menschen auf ihrem Lebensweg und bei ihrer Suche nach Antworten auf die Fragen ihres Lebens begleiten. Denn die primäre Aufgabe von Christen in einer zunehmend pluralen Gesellschaft sei es, so der Weihbischof, in ihren gottesdienstlichen Feiern die Erfahrung der Nähe und Liebe Gottes zu vermitteln.
Nach den Statements ergab sich eine lebhafte Diskussion auf dem Podium, in die durch die Publikumsanwälte Dr. Nicole Stockhoff und Dr. Stephan Steger auch immer wieder Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum eingespielt wurden. War man sich in der Beurteilung der aktuellen Situation noch weitgehend einig, so divergierten doch die Antwortversuche, welche konkreten Schlüsse für die Zukunft hieraus zu ziehen seien.
Prof. Dr. Martin Stuflesser, der die Veranstaltung moderierte, fasste am Ende des Abends als eine Ergebnis der Diskussion zusammen, dass es wohl nicht das „eine“ Patentrezept für „die“ Liturgie der Zukunft gebe. Sowohl die Statements, als auch die sich anschließende Diskussion und die vielfältigen Wortmeldungen aus dem Publikum zeigten jedoch, so Stuflesser, auf welche großes Interesse die Frage nach der Liturgie der Zukunft gestoßen sei. An diesem Abend sei ein ehrliches Ringen um diese Fragen spürbar geworden.
Bischof Dr. Hofmann hatte in der Diskussion Umberto Eco zitiert: „Für jedes Problem gibt es eine einfache Lösung – und die ist falsch.“ Diesen Satz aufgreifend betonte Stuflesser, dass das Ziel der neuen Veranstaltungsreihe nicht darin bestehen könne, einfache Patentlösungen zu bieten, sondern vielmehr darin liege, die aktuell relevanten Fragen zur Zukunft des Gottesdienstes zu stellen und ein Forum zu schaffen, wo diese dann auch konstruktiv diskutiert werden können. Deshalb werde das Format auch im kommenden Jahr am 4. Dezember in jedem Falle fortgesetzt.
Die Statements des Diskussionsteilnehmer finden Sie hier.
Kontakt:
Prof. Dr. Martin Stuflesser
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