Intern
Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft

Professor Stuflesser predigte über das Konzil und die Liturgie

07.03.2012

Würzburg. Im Rahmen der Fastenpredigtreihe zum Zweiten Vatikanischen Konzil in der Würzburger Neumünsterkirche hat Professor Dr. Martin Stuflesser am 7. März 2012 über das Konzil und die Liturgie gesprochen. Der Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg beleuchtete Grundzüge der Liturgiereform und die Frage was die Kirche bei ihren Gottesdiensten feiert.

Ausgehend von der Lesung in diesem Predigtgottesdienst aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer (Röm 16,25-27) erläuterte er, dass der Glaube an Jesus Christus der Bezugspunkt christlicher Liturgie schlechthin ist. Zentral sei der Glaube an einen Gott, der sich den Menschen zuwende und sich in Jesus Christus offenbart habe. Die Antwort der Zuwendung Gottes zu den Menschen sei der Lobpreis Gottes in der Liturgie. Mit Blick auf das Konzil hob Stuflesser zwei Themenfelder hervor, mit denen sich die Bischöfe auseinandergesetzt haben: „Die Frage, was wir überhaupt feiern, wenn wir Liturgie feiern. Und daraus folgt die Frage nach der angemessenen Gestalt der liturgischen Feier als Feier der gesamten, versammelten Kirche. Hier geht es vor allem um die tätige Teilnahme.“

Der Würzburger Liturgiewissenschaftler stellte fest, dass die Bischöfe zu ihrer Zeit einen großen Reformbedarf im Bereich der Liturgie gesehen haben. Die Bischöfe hätten bei ihren Überlegungen aber nicht bei null angefangen, sondern konnten sich auf theologische Vordenker berufen: „Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts hatten sich die Bibelbewegung und die Liturgische Bewegung als die zwei Lungenflügel entwickelt, welche die Liturgiereform zum Atmen brachten.“ Mit Worten des heutigen Papstes, Benedikt XVI., zum 40. Jahrestag der Liturgiereform 2003 beschrieb Stuflesser die Vorgehensweise der Konzilsväter. „Aufgabe der Konzilien ist (...) nicht, vorher Unbekanntes hervorzubringen, sondern es hat aus den Strömungen einer Zeit das Gültige, wirklich aus dem Glauben der Kirche Herausgewachsene herauszufiltern, auf diese Weise Gemeinsamkeit zu schaffen und die Richtung des weiteren Weges zu bestimmen“, zitiert Stuflesser den damaligen Kardinal und Leiter der Glaubens­kongregation, Joseph Ratzinger.

Zwar hätten laut Stuflesser die offiziellen liturgischen Texte und auch die lehramtlichen Verlautbarungen immer daran festgehalten, dass die Feier der Liturgie unter der Leitung des Bischofs oder des Priesters Sache des gesamten, versammelten Gottesvolkes ist, doch sei das Volk über Jahrhunderte hinweg mehr und mehr in die Rolle eines nur beiwohnenden Zuschauers und Statisten gedrängt worden. „Während der Priester die Messe las, betete das Volk fromme Andachten oder den Rosenkranz.“ Dass hier Handlungsbedarf bestand sei schon vor dem Konzil bewusst gewesen. „Von Papst Pius X. ist der Wunsch überliefert, die Gläubigen mögen doch nicht in der Liturgie beten, also womöglich parallel und gar irgendetwas, sondern bitte die Liturgie beten!“

Bei der Reform der Liturgie hatten die Konzilsväter das Ziel, „das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen“, zitiert Stuflesser den ersten Artikel der Liturgiekonsitution, Grundlagentext des Konzils zur Liturgie mit dem lateinischen Titel „Sacrosanctum Concilium“. Die Konzilsväter hätten genau und behutsam abwägen müssen, was überhaupt reformierbar ist, und was nicht.

Am Beispiel der Eucharistiefeier führte der Liturgiewissenschaftler die Unterschiede aus: „Eine Eucharistiefeier war auch schon vor dem Konzil eine Eucharistiefeier. Auch vor dem Konzil war sie, wie auch heute, ja, durch alle Jahrhunderte hindurch die Feier der Danksagung für das Heil, das uns in Jesus Christus geschenkt wurde. Alleine, wie diese Danksagung in der Eucharistie konkret gefeiert wurde, dies hat sich geändert: Ob, wie in den Anfängen zur Zeit des Neuen Testaments auf Griechisch, dann später auf Latein, ob heute hier in Würzburg auf Deutsch oder eben in allen Ländern der Erde in den vielfältigen Volkssprachen. Ob wir es dabei hier in Deutschland gerne etwas ruhiger angehen lassen, oder Menschen in Afrika ihren Dank für das Handeln Gottes mit Trommeln und Tanz ausdrücken, all dies sind wandelbare Teile.“

Als Kern der Liturgie bezeichnete laut Stuflesser das Konzil in der Liturgiekonstitution die Feier des Pascha-Mysteriums Jesu Christi. Hierbei gehe es jedoch nicht um etwas mysteriöses, unerklärliches oder geheimnisvolles: „Man denkt unweigerlich an Phantasyromane oder an Harry Potter, an Science Fiction-Fensehserien, doch führt uns das hier nicht weiter“, erklärt Stuflesser. Vielmehr müsse man sich auf das Verständnis des Apostels Paulus berufen, dem es genau um das Gegenteil gehe. „Das was verborgen war, das wird nun in Jesus Christus offenbar. In Jesus Christus wird sichtbar, erkennbar, ja, geradezu ehrfahrbar, wer dieser Gott ist.“ Die Rede vom Mysterium müsse daher auf der Grundlage des christlichen Offenbarungsglaubens verstanden werden. Der Würzburger Liturgiewissenschaftler hält daher fest: „In der Feier der Liturgie erhalten wir an diesem Mysterium, diesem Heilshandeln Gottes Anteil.“ Wenn von der Feier des Pascha-Mysteriums Jesu Christi die Rede sei, dann gehe es um die gottesdienstliche Feier des Handelns Gottes in Jesus Christus. Für das Konzil sei daher Liturgie immer Feier des Pascha-Mysteriums Jesu Christi, also die Feier des Leidens, der Auferstehung und der Himmelfahrt Jesu Christi. „Wir feiern in der Liturgie nichts Geringeres als den Kern unseres Glaubens!“

Aus dieser Einsicht heraus erwachse die Frage, wie wir Liturgie feiern. Ein Schlüsselbegriff sei die Rede von der tätigen Teilnahme an der Liturgie. Weil das Heilshandeln Gottes in Jesus Christus jeden Christen etwas angehe, hätten alle Getauften auch ihren Anteil an der Feier der Liturgie. Hier bestand laut Stuflesser Reformbedarf: „In der Liturgiekonstitution betonen die Konzilsväter, dass die Gläubigen gerade nicht wie außenstehende und stumme Zuschauer der Messe lediglich passiv beiwohnen sollen, doch war anscheinend genau das das gängige Bild, das die knapp dreitausend Bischöfe negativ vor Augen hatten, und das sie gerade durch die Reform der Liturgie abwenden wollten.“ Demgegenüber zitiert Stuflesser das Gegenprogramm des Konzils, wenn die Bischöfe in der Liturgiekonstitution fordern, dass die Gottesdienstgemeinde die Riten und Gebete verstehen lernen und so bewusst, fromm und tätig mitfeiern soll. Es gehe hierbei weder um hektischen Aktionismus, noch um bloße Innerlichkeit, sondern um ein „erfüllt sein von Aktivität“. Wichtig sei die Verbindung von innerem und äußerem Tun.

Gegen Ende seiner Predigt fragte der Theologe, wie für uns heute eine tätige Teilnahme an der Feier der Liturgie gelingen kann. Zunächst würdigte er die positive Selbstverständlichkeit mit der heute alle Getauften an der Liturgie der Kirche teilnehmen und diese wirklich mitfeiern können. Wichtig sei ein Leben durch, in und mit Jesus Christus. Anknüpfend an das Eröffnungsgebet der Karfreitagsliturgie, wo es heißt „Gedenke, Herr, der großen Taten, die dein Erbarmen gewirkt hat …“ gab der Liturgiewissenschaftler einige Impulse für die Fastenzeit mit auf den Weg.

Ein Impuls zur Lektüre der Bibel: „Gedenke, Mensch, der großen Taten, die Gottes Erbarmen erwirkt hat, indem du in diesen heiligen 40 Tagen die Heilige Schrift einmal wieder häufiger zur Hand nimmst. Indem Du die großen und bedeutsamen Lesungen, welche die Liturgie für diese heilige Zeit vorsieht, nicht nur im Gottesdienst selbst hörst, sondern sie Dir als geistliche Wegzehrung durch die 40 Tage mit auf den Weg nimmst. Ganz praktisch mit Hilfe des Schott oder des Sonntagsblatts.“

Ein Impuls zur Vertiefung der Liturgie: „Gedenke, Mensch, der großen Taten, die Gottes Erbarmen erwirkt hat, indem du die großen Gebete der Liturgie für dich selbst wieder neu entdeckst: das Vater unser etwa, oder das Glaubensbekenntnis, das Magnifikat.“

Ein Impuls zur Vertiefung des Lebens als Christ: „Gedenke, Mensch, der großen Taten, die Gottes Erbarmen erwirkt hat, indem du, wie Martin Luther dies schon vorschlug, den Tag beginnst mit einem kurzen Dankgebet für deine Taufe. Indem du dir neu bewusst wirst, dass die Teilnahme am Gottesdienst keine lästige Sonntagspflicht ist, sondern dein heiliges Recht, das dir in der Taufe geschenkt wurde.“

Florian Kluger

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