Intern
Lehrstuhl für neutestamentliche Exegese

Nachruf

Frau Hannelore Ferner

Der Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese
und die Professur für Biblische Einleitung
trauern um ihre langjährige Sekretärin
Frau Hannelore Ferner,
die am 8. August 2021
nach schwerer Krankheit verstorben ist.
 

Leben für die Exegese. Zum Tod von Hannelore Ferner

Als Hannelore Ferner, damals noch unter ihrem Geburtsnamen Biegner, am 1. Mai 1966 im zarten Alter von 18 Jahren ihren Dienst am Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese bei Prof. Rudolf Schnackenburg antrat, ahnte sie vermutlich noch nicht, wie sehr die Arbeit an diesem Lehrstuhl ihr zukünftiges Leben bestimmen sollte. An die Universität Würzburg war sie schon drei Jahre früher gekommen: Sie hatte ihre Ausbildung zunächst im Rektorat begonnen, wollte wegen mangelnder Eigenständigkeit und Kreativität aber bald wechseln. Als sich gut zwei Jahre später die Chance bot, in das Sekretariat eines Professors zu wechseln – die damalige Dekanatssekretärin der Kath.-Theol. Fakultät hatte ihr den entsprechenden Tipp gegeben –, packte sie diese Chance am Schopf, absolvierte das Vorstellungsgespräch mit Erfolg und war einige Monate später Lehrstuhlsekretärin.

Die ersten Jahre waren kein Zuckerschlecken. Denn Rudolf Schnackenburg, schon damals Nestor der katholischen neutestamentlichen Exegese und maßgeblich für die Etablierung der sogenannten historisch-kritischen Methode auf dem 2. Vatikanischen Konzil verantwortlich, brauchte eine Sekretärin, die (Alt-)Griechisch lesen und schreiben konnte. Täglich 15 Minuten Griechisch standen deshalb ebenso auf der Agenda wie die Frühgymnastik, die bei seiner Mitarbeiterin und seinen Mitarbeitern jedoch auf wenig Gegenliebe stieß. Hannelore Ferner bewältigte diese Herausforderung wie alle anderen Herausforderungen mit Bravour und entwickelte – zunächst an der Schreibmaschine, später am Computer – bei der Arbeit ein Tempo, das seinesgleichen suchte. Das will bei Geräten, bei denen man beim Wechsel von einer Sprache (Deutsch) in die andere (Griechisch) jedes Mal den Kugelkopf wechseln musste, etwas heißen! Weder Rudolf Schnackenburg noch sein Nachfolger Hans-Josef Klauck (ab 1982) hätten ihre Bücher und in die Hunderte gehenden Aufsätze ohne das Mitwirken von Hannelore Ferner zu Papier gebracht, jedenfalls nicht in dieser Zeit. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Dissertationen und Habilitationen, die sie „nebenbei“ noch tippte, vor allem dann, wenn es bei den zukünftigen Doktoren und Professoren wieder einmal brannte, d.h. der Abgabetermin der Arbeit unerbittlich näher rückte. Bei alledem verlor sie nie die Ruhe und hatte selbst im größten Stress noch Zeit für ein Gespräch, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Das änderte sich auch nicht, als Anfang der 2000er Jahre der Lehrstuhl für Biblische Einleitungswissenschaften an den Sanderring zog und sie fortan – gegen die biblische Tradition! (Mt 6,24 par Lk 16,13) – zwei Professoren zu versorgen hatte (Karlheinz Müller/Johann Rechenmacher; Bernhard Heininger).

Zu erzählen hatte Hannelore Ferner nämlich viel – kein Wunder bei einer Frau, die fast ein halbes Jahrhundert am Biblischen Institut tätig war. Sie erlebte die „wilden Jahre“ der Fakultät mit, die einen früheren Kollegen die Erzbischofswürde gekostet haben sollen (Bischof ist er dann doch noch geworden), und gerade von ihrem ersten und langjährigen Chef wusste sie so manche Anekdote zu berichten. Als Rudolf Schnackenburg einmal von einem Kongress zurückkehrte und freudestrahlend verkündete, er habe in der Schweiz ein Chalet zwecks gemeinsamen Urlaubs erworben („Kinder, da können wir jetzt Urlaub machen!“), war die Begeisterung bei Sekretärin und Assistenten nicht gerade überwältigend. Sie sind dann doch mitgefahren, aber irgendwann verlor Schnackenburg das Interesse. Als er Jahre später mit seinem Assistenten Helmut Merklein wieder einmal in die Schweiz fuhr, fanden sie das Ferienhaus nicht mehr. Es war zugewachsen. Helmut Merklein, nachmaliger Neutestamentler in Bonn und nicht nur exegetisch ein Hüne, musste mit der Machete den Weg durch das Gestrüpp bahnen.

Hannelore Ferner hat solche Situationen stets mit Humor und einem gewissen Gleichmut genommen und mit ihren lakonischen Kommentaren die gelegentlich in theologischen Wolken schwebenden Professoren schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Bei den zahlreichen „Rauchopfern“ zunächst noch im Sekretariat, später auf der Veranda (nachdem das Rauchen an der Universität bzw. in öffentlichen Gebäuden verboten war) ging es häufig um Gott und die Welt und immer um das Leben in all seinen Facetten. Ihr eigenes Leben war vielleicht kein Gesamtkunstwerk (oder doch?), aber ein Narrativ, das noch lange zu uns spricht. Jedenfalls solange wir uns an sie erinnern. Am 8. August dieses Jahres ist Hannelore Ferner, kurz vor Vollendung des 74. Lebensjahres, nach schwerer Krankheit verstorben.

Bernhard Heininger