Forschungsschwerpunkte
Forschungsfelder
Forschungsfeld I: Next Europe. Geopolitische Zukunftsszenarien der Europäischen Integration im
Internationalen System
Das Forschungsprojekt greift einen Ideenüberschuss auf, der aus der Zeit des Dilthey-Fellowships von Prof. Schröder geblieben ist („Politische Ökonomie des Sozialen Europas“, gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung und die VolkswagenStiftung 2010-2015). Untersucht werden soll in interdisziplinärer Perspektive, ob und wie nach der seit 2008 andauernden multiplen Institutionen- und Reformkrise der EU der Dynamikverlust und die Legitimationsschwäche des „Europäischen Projekts“ eine möglichst zukunftsfeste revidierte raison d’être des europäischen Integrationsprozesses begründet werden kann.
Bei der Forschung im Rahmen meines Dilthey-Fellowships stand allein eine sozio-ökonomische Frage im Vordergrund: Inwiefern kann (gemäß der Rhetorik des Brüsseler Europa2020-Konzepts) die Vision eines mittelfristig erreichbaren nachhaltig sozial-marktwirtschaftlichen EU-Staatenverbundes entsprechende politische Zug- und Kohäsionskraft entwickeln? Im Folgeprojekt soll diese Perspektive ergänzt werden um Reflexionen auf Regime- und Konflikt-Optionen, die im Internationalen System aus der wachsenden geopolitischen Bedeutung der europäischen Integration entstehen können. Angestrebt ist insgesamt ein szenarienanalytischer (auf die Konstruktion und Bewertung von „EU-Topien“ aufgebauter) Beitrag zur Philosophie der Internationalen Beziehungen.
Forschungsfeld II: Was ist philosophische Forschung?
Quid novi in philosophia? Ob und wie in der Philosophie „Fortschritt“ und insofern auch veraltendes und zeitweise neues disziplinäres Wissen ähnlich möglich sind wie in dezidiert empirischen Wissenschaften, ist hochkontrovers. Einerseits liegt auf der Hand, dass die zweieinhalbtausendjährige Philosophiegeschichte von Thales bis Rawls, Deleuze und Habermas ein brüche- und wandlungsreicher Entwicklungs- und Anreicherungsprozess des philosophischen Themen- und Methodenspektrums darstellt. Andererseits kann man berechtigte Zweifel haben, ob und inwiefern man in der Philosophie über bestimmte Grundfragen und die Ausdifferenzierung paradigmatischer Antwortalternativen darauf wirklich substantiell hinauskommt.
Aufklärung hierüber versprechen diachronische und synchronische Analysen zu vier Leitfragen, nämlich: (1) unter welchen Voraussetzungen bzw. nach welcher Kriteriologie philosophische Reflexion sich dezidiert als Forschung versteht und organisiert; (2) in welchem Sinn und Ausmaß solche Forschung Wissenschaftsform haben kann oder eben gerade zu unterscheiden ist von wissenschaftlicher Forschung überhaupt oder doch mindestens von anderer wissenschaftlicher Forschung; (3) ob und inwiefern Forschung in der Philosophie über methodische historische und philologische Untersuchungen hinaus auch intuitiv und kreativ ansetzen und Wissen generieren kann; und schließlich (4) ob und inwiefern philosophische Forschung aus strukturell eigenen Ressourcen und Dynamiken heraus Innovationskraft hat und zu neuem Wissen vorstoßen kann oder eben nur durch spezifisch philosophisches Aufgreifen und Neubearbeiten neuer Themen aus ihrer Umwelt.
Das damit skizzierte Forschungsdesiderat betrifft und fordert meta-philosophische Grund-lagenforschung.
Forschungsfeld III: Antihumanismus, Transhumanismus, Posthumanismus: Anthropotechniken und die
Zukunft des Subjekts
Dieses Forschungsprojekt zielt auf intensivere interdisziplinäre Erschließung der Hintergründe und Implikationen einer Sequenz vieldiskutierter Infragestellungen zentraler Annahmen der klassischen Subjektphilosophie in der neueren und neuesten Philosophie.
Den Auftakt zu dieser Sequenz bildet der „Antihumanismus“, wie er sich in der französischen Philosophie der 1940er bis 1960er Jahre formiert hat. In seiner neo-marxistischen Ausprägung bei Denkern wie Kojève, Althusser und Balibar stellt er die klassische Konzeption des Menschen als Subjekt seiner Vollzüge dadurch in Frage, dass die alles bestimmende Abhängigkeit des Bewusstseins und der Praxis des Menschen vom materialistischen Unterbau, von gesellschaftlichen Vorgaben oder vom Verhältnis zum Kapital behauptet wird. In neostrukturalistischer Ausprägung bei Foucault und Barthes indes erscheint der Antihumanismus als Überschrift über die These vom „Tod des Subjekts“, wie sie sich einerseits nach der psychoanalytischen Aufklärung des Menschen über seine maßgebliche Bestimmung durch Vor- und Unbewusstes ergibt, andererseits aus der Überlegung, dass eine strukturalistische Auflösung von Sprache und Kommunikation in ein anonymes Spiel von Differenzen und Verweisungszusammenhängen auch den Subjektstatus der menschlichen Sprecherposition tilgt („Tod des Autors“).
Mitte der 1980er Jahre wird durch das Aufkommen von Human-Enhancement-Projekten diskutiert, inwiefern Optimierungsaussichten für die Gesundheit, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit des Menschen die Relativierbarkeit seiner herkömmlichen genetischen und physischen Integrität („Transhumanismus“) legitimieren können.
Seit der Jahrtausendwende erfährt die Transhumanismus-Debatte eine Weiterführung und Zuspitzung zum „Posthumanismus“-Diskurs. Jetzt geht es um Optimierungsperspektiven im Blick auf Lebensverlängerung. Philosophische sowie interdisziplinäre Verständigung über Chancen und Risiken dieser neuen anthropotechnischen Perspektiven ist ein Desiderat, das besonders auch im Grenzbereich von Philosophie und Theologie spannend aufgegriffen werden kann.
Forschungsfeld IV: Richard-Wagner-Rezeption in der neueren Philosophie
Über die philosophischen Inspirationsquellen von Wagners musikalischem und literarischen Œuvre (Feuerbach, Schopenhauer, Proudhon, Bakunin) weiß man – auch dank der beiden Wagner-Editionsprojekte (Schriften und Briefe) an der Universität Würzburg – inzwischen fast ebenso gut Bescheid wie über Wagners enormen Einfluss auf die Philosophie Nietzsches sowie auf einige prominente Literaten (Baudelaire, Mallarmé, Th. Mann) und herausragende Musikästhetiker (Moos, Bekker, Westphal, Adorno, Dahlhaus). Unklar bis strittig ist jedoch, wie ähnlich in den Rezeptionsmustern und wie kompatibel in den Deutungen und Fortentwicklungen sich diese Wagner-Resonanzen im Vergleich erweisen. Noch weit weniger, teilweise noch gar nicht systematisch erforscht ist bislang die Wagner-Rezeption bei philosophischen Autoren wie Valéry, Croce, Wittgenstein, Jankélévitch, Badiou und Žižek. Einerseits die genannte Komparatistik, andererseits die zitierte Pionierarbeit sind Forschungsdesiderate, die in einem Forschungsprojekt mit dem Ziel der Erarbeitung einer Monographie aufgegriffen werden sollen.